Narkose, aber sicher – Narkosesicherheit durch perioperatives Management

Die Zeiten, in denen Hund und Katze ein Narkosemittel nach geschätztem Gewicht gespritzt bekamen und gehofft wurde, dass alles gut geht und der Patient wieder aufwacht, sollten schon lange vorbei sein. Genauso wenig sollte heute noch auf kalten, nicht gepolsterten Stahltischen operiert werden.

Wir halten uns an die Leitlinien für Anästhesie der Fachgruppe Veterinärmedizinische Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (VAINS) der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V.

Wir bilden uns seit Bestehen der Praxis auf dem Gebiet der Anästhesie kontinuierlich fort, um Narkosen immer auf dem neusten Stand der Wissenschaft anbieten zu können. Da sich der Anteil der Risikopatienten durch die überweisenden Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, müssen wir die Narkosen den Bedürfnissen des Patienten und der Art des Eingriffes anpassen.

Ein Monitoring der Vitalfunktionen (EKG, Pulsoxymetrie, Kapnographie, Blutdruck- und Temperaturkontrolle) sollte immer durchgeführt werden. So kann man das Narkoserisiko auf das absolute Minimum reduzieren.

Da die meisten Besitzer Angst vor der Narkose haben und nicht wissen, was vor, während und nach der Narkose mit ihrem Liebling passiert, möchten wir Ihnen einmal schildern, was unsere Narkosen ausmacht und vielleicht von vielen anderen unterscheidet.

Unser Narkosemanagement beginnt weit vor der eigentlichen Anästhesie und endet erst, wenn der Patient wieder steh- und gehfähig ist und auf allen 4 Pfoten unsere Praxis verlässt. Auch wenn Sie wieder zu Hause sind und Fragen auftauchen, die wir vielleicht noch nicht mit Ihnen besprochen haben, rufen Sie uns gerne an, wir sind immer für Sie da. Außerdem rufen wir alle Narkosepatienten am Folgetag an, um nachzufragen, ob sie sich gut erholt haben.

Untersuchungen vor der Narkose

Bevor ein Patient bei uns in Narkose gelegt wird, findet immer eine gründliche Allgemeinuntersuchung statt. Wir erheben einen Vorbericht, die sogenannte Anamnese. Wir befragen Sie zu vergangenen und aktuellen Krankheiten, und ob Ihr Tier derzeit Medikamente bekommt. Wir wollen wissen, ob Ihr Tier bereits eine Narkose bekommen hat und wie diese verlaufen ist. Wir untersuchen besonders das Herzkreislaufsystem und den Atmungsapparat mittels Auskultation, das heißt, wir hören Herz und Lunge des Patienten gründlich ab. Dies ist für die Narkose sehr wichtig. Wenn aktuelle Blut- und/oder Röntgenbefunde vorhanden sind, möchten wir uns diese gerne anschauen, um das Narkoserisiko besser einschätzen zu können.

Eine Blutuntersuchung ist vor einer Narkose immer sinnvoll. Entweder hat das Ihr Haustierarzt im Vorfeld gemacht, oder wir nehmen Ihrem Liebling bei der Erstvorstellung in unserer Praxis Blut ab. Wir können dann sehen, ob krankhafte Veränderungen zu erkennen sind, die das Narkoserisiko erhöhen. Bei sehr gestressten oder aggressiven Patienten (meist sind das Katzen) ist dies manchmal nicht möglich. Dann bieten wir an, Blut während der Narkose abzunehmen. Die Ergebnisse teilen wir Ihnen und Ihrem Haustierarzt mit.

Sollten wir bei der Voruntersuchung Herzprobleme erkennen, raten wir Ihnen zu einer Abklärung durch einen Herzultraschall bei spezialisierten Kollegen vor der Narkose. Wird der Verdacht einer Herzerkrankung bestätigt, sollte der Patient ca. 2-3 Wochen lang auf entsprechende Medikamente eingestellt werden, wenn diese vom Kardiologen verordnet werden. So wird das Risiko eines Narkosezwischenfalls, auch für herzkranke Patienten, deutlich reduziert. Bei entsprechend eingestellten Herzpatienten ist damit in den meisten Fällen eine Narkose vertretbar.Am Tag der Operation

Tag der Operation

Am Tag der Operation besprechen wir noch mal einige Details mit Ihnen. Kurz vor der Narkose untersuchen wir Ihren Liebling noch einmal und legen dabei unser besonderes Augenmerk auf das Herzkreislaufsystem und den Atmungsapparat.

In den meisten Fällen möchten wir Sie bei der Narkoseeinleitung nicht dabeihaben. Warum? Wir können dem Tier nicht erklären, was passiert, wenn das Bewusstsein langsam schwindet. Wir möchten nicht, dass Ihr Liebling dieses für ihn vielleicht unangenehme Gefühl mit Ihnen verknüpft. Außerdem überträgt sich Ihre Aufregung auf Ihren Liebling. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist die Anwesenheit der Besitzer erforderlich und förderlich.

Was bedeutet nun „Narkose“ für uns?

Vitalparameter

Mit Beginn der Einleitung der Narkose werden die Vitalparameter in regelmäßigen Abständen protokolliert

Augenschutz

Die Patienten erhalten alle 15 Minuten ein Augengel, damit die Hornhaut des Auges nicht austrocknet. In der Narkose produzieren die Patienten nämlich keinen schützenden Tränenfilm.

Zentraler Zugang über Venenverweilkatheter (Braunüle)

Alle Patienten bis auf wenige Ausnahmen erhalten von uns einen intravenösen Zugang über einen Venenverweilkatheter. Hierüber verabreichen wir Infusionen und Medikamente, was insbesondere im Notfall lebensrettend sein kann.

Dauertropf-Infusion und Körpertemperatur

Die Körpertemperatur wird während der gesamten Narkose kontinuierlich über eine Sonde gemessen. Nach der Sedierung bekommen die Patienten eine körperwarme Infusion über den venösen Zugang. Die Infusionslösung wird über eine spezielle Infusionsheizung erwärmt. Operiert wird auf einer der Größe des Tieres angepassten, gut gepolsterten Konvektionswärmematte der Firma Moeck.

Bei diesem System sind Verbrennungen ausgeschlossen, weil ein regulierbarer, erwärmter Luftstrom den Patienten umfließt. Unsere OP-Tische und die Aufwachboxen sind alle mit gut regelbaren Wärmematten und weichen gepolsterten Böden versehen, damit die Patienten keine Druckstellen bekommen. Sie liegen also nicht einfach so einem kalten OP-Tisch oder ungepolsterten Boxenböden.

Tiere können in Narkose ihre Körpertemperatur nicht mehr alleine regeln und würden ohne diese Maßnahmen schnell auskühlen. Dies erhöht das Narkoserisiko erheblich und führt zu vielen unerwünschten Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Wundheilungsstörungen.
Weil die Tiere vor allem über die Pfotenballen Temperatur verlieren, ziehen wir ihnen, wann immer es geht, warme Söckchen an. Dies sieht lustig aus, ist aber sehr effektiv. Außerdem achten wir auf weiche Polsterungen der Gelenke, falls diese über die weichen Tischauflagen hinausragen.

Intubation

Um die Atemwege der Patienten frei zu halten, werden diese mit weichen Endotrachealtuben intubiert. Wir verwenden Low Pressure – High Volume Endotrachealtuben, die nur sehr geringen Druck auf die Luftröhre ausüben und diese so schonen. Der Rachen der Patienten wird zusätzlich mit speziellen Tupfern austamponiert, um ein Eindringen von Speichel, Sekret etc. in den Rachen zu verhindern. Den Druck des aufblasbaren Teils des Tubus (Cuff) können wir mit speziellen Geräten messen. Dadurch wird verhindert, dass es durch einen zu hohen Druck des Cuffs zu einer Schädigung der Luftröhre kommt.

Beatmung

Bei einem Atemstillstand können wir den Patienten über den Tubus beatmen und mit Sauerstoff versorgen.

Prae- und Post-Oxigenierung

Bei Bedarf führen wir den Patienten bereits vor und auch nach der eigentlichen Narkose Sauerstoff zu. Hierdurch werden die Organe besser mit Sauerstoff versorgt, die Nebenwirkungen der Narkosemittel werden verringert, und die Tiere sind schneller wieder wach. Dies ist besonders bei kurznasigen (brachiocephalen) Rassen und sehr alten oder sehr kranken Tieren wichtig.

Kontrolle der Vitalparameter:

Währen der Narkose kontrollieren wir die Vitalparameter durch modernste Überwachungsmonitore.

1) Elektrokardiogramm

Es läuft immer ein EKG (Elektrokardiogramm) mit, was neben der Herzfrequenz grafisch die Herzkurve darstellt. So können wir Kammerflimmern und Herzrhythmusstörungen und andere Herzprobleme sofort erkennen und behandeln.

2) Pulsoximeter

Über ein Pulsoximeter wird die Sauerstoffsättigung des arteriellen Hämoglobins gemessen, was uns über den Kreislaufzustand informiert.

3) Kapnographie

Die Atmung wird durch einen Kapnographen kontrolliert. Dieser zeigt uns die Atemfrequenz und Atemtiefe des Patienten. Er stellt uns grafisch eine Kurve der Ein- und Ausatmungsphase dar und misst den CO2-gehalt der ausgeatmeten Luft. Anhand Messwerte und der Kurven können wir sehen, ob der Patient normal atmet oder Veränderungen zeigt, bei denen wir eingreifen müssen.

4) Blutdruckmessung

Während der gesamten Narkose messen wir den Blutdruck, dies gibt uns wichtige Hinweise auf die Herz-Kreislaufsituation.

5) Körpertemperatur

Wie schon erwähnt, messen wir über eine Sonde während der gesamten Narkose die Körpertemperatur, um diese konstant im physiologischen Bereich zu halten. Die Körpertemperatur hat einen ganz wesentlichen Einfluss auf die gesamten Stoffwechselfunktionen in und vor allem nach der Narkose.

Entleerung der Harnblase nach der OP

Am Ende des Eingriffs entleeren wir bei unseren Patienten die Harnblase bevor wir sie auf die Aufwachstation bringen und sie dort weiter überwachen. Aus der Humanmedizin wissen wir, dass eine volle Harnblase extrem schmerzhaft sein kann und die Aufwachphase dann mit erhöhtem Stress verbunden ist, was wir vermeiden wollen.

Extubation

Am Ende der Anästhesie werden die Patienten extubiert. Alle Tupfer werden aus Maul und Rachen entfernt. Nach Kontrolle und Reinigung des Rachens wird der Tubus entfernt, und der Patient wird auf die Station verlegt. Dort kontrollieren wir weiterhin den Verlauf der Aufwachphase.

Aufwachphase auf der Station

Die Boxen sind mit einer Bodenheizung und weichen Polstermatten ausgestattet. Die Tiere werden weiterhin warmgehalten und bekommen auch hier weiterhin Augentropfen. Ist der Patient steh- und gehfähig, kann er nach Hause entlassen werden, nachdem der Venenverweilkatheter entfernt wurde.

Verschiedene Narkoseprotokolle

Generell stehen uns für die verschiedenen Tierarten verschiedene Narkoseprotokolle zur Verfügung.
Innerhalb der Tierarten wählen wir für die entsprechende Situation die schonendste Narkose für Ihr Tier aus. Sei es die Ultrakurzzeitnarkose, die Total Intravenöse Anästhesie TIVA oder die Inhalationsanästhesie.

Ihr Liebling ist nie zu alt für eine Narkose!

Die Aussage: der Patient ist zu alt für eine Narkose ist einfach falsch und spiegelt lediglich die Angst vor einer Narkose wieder!

Das Alter eines Tieres allein spielt für eine Narkose nicht die entscheidende Rolle, sondern es ist wichtig zu wissen, ob Erkrankungen vorliegen oder nicht. Sind diese bekannt, kann die Narkose entsprechend angepasst durchgeführt werden.

Scheint uns das Narkoserisiko bei ihrem Liebling, aus welchen Gründen auch immer, zu hoch, werden wir Sie an eine Klinik überweisen, von der wir wissen, dass Sie dort gut aufgehoben sind.

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